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KI, or not to be

foundry digital agency

Oder: Braucht es Agenturen in Zukunft überhaupt noch?

Sacha Moser, Gründer von Foundry, spricht über die Zukunft der Kreativbranche im Kontext künstlicher Intelligenz.

Den Artikel gibt’s in der M&K – oder direkt hier zum Nachlesen.

 

Es gibt kaum einen Bereich im Alltag, der nicht längst von KI durchdrungen ist.

 

KI erstellt unseren Fitnessplan, findet neue Medikamente, vergleicht in Lichtgeschwindigkeit die aussichtsreichsten Aktien – auch in turbulenten Zeiten wie diesen – und kontrolliert bereits in vielen Kantonen die Steuererklärung. Danke dafür. Und für alles Übermenschliche beantwortet jetzt ein KI-Jesus in der Peterskapelle Luzern via Bildschirm Glaubensfragen.
Die KI-Religion lässt zwar noch auf sich warten, aber es ist wohl nur eine Frage der Zeit. Denn kaum eine andere technologische Errungenschaft hat in letzter Zeit so viel Vertrauen genossen wie künstliche Intelligenz. In einer Welt, in der die mächtigen (Staats-)Führer vollkommen unberechenbar agieren und Verbindlichkeit und Verantwortungsbewusstsein nicht als Stärke, sondern als Schwäche gelten, liefert uns KI genau das, wonach wir uns sehnen: Sichere Antworten. Schnell, mühelos, bequem, direkt auf dem Sofa. Genug philosophiert. Zurück zur Frage:

Was bedeutet KI konkret für unsere Branche?

 

Diese Frage diskutierte ich kürzlich auf Einladung von Dr. Arnd Schröter an der d3con-Konferenz in Hamburg. «Wie verändert KI das Agenturgeschäft?», wollte er wissen. Meine kurze Antwort: Alles. Für eine ausführliche Antwortbitte auf die Pro-Version upgraden.

Quatsch: Für die Leserinnen und Leser von m&k teile ich gerne, was ich bereits 2023 an der Hyper Island in Singapur erfahren durfte. Denn bereits vor zwei Jahren besuchte ich dort ein MBA-Segment zum Thema AI & Machine Learning. Wir entwickelten keine theoretischen Konzepte – die wären heute ohnehin überholt – sondern innerhalb weniger Tage konkrete KI-Projekte. Unsere Auftraggeber waren Coca-Cola, die gerade ihre Coke AI lancierten, und der Freizeitpark Sentosa, um innovative, KI-basierte Erlebnisse zu schaffen. Der Ausgangspunkt war zwingend KI: Research, Prototyping und Umsetzung – alles durch KI. Ich nahm drei wichtige Erkenntnisse aus Singapur mit:

foundry digital agency

Drei Erkenntnisse

 

Erstens: Wenn KI der Ausgangspunkt ist, kann plötzlich alles möglich werden. Das einzige was es braucht ist eine Herausforderung, eine Idee oder ein Ziel. Zweitens und folglich: auch mit einem kleinen Team von Top Spielerinnen kann man heute Champions League spielen. Und auch gewinnen. Denn es braucht nicht mehr ein Betreuer-Staff von über 300 Menschen, wie bei Bayern München.

Drittens: Die Agenturbranche wird durch KI komplett zerlegt. Darin liegt eine grosse Chance: Agile Teams und kreative Köpfe können aus den Bruchstücken radikal Neues erschaffen. Roman Balzan, CMO der Alpian Bank, hat es kürzlich mit der Einführung des Automobils vor 100 Jahren verglichen. Für die Kutscher eine grosse Umstellung. Plötzlich gab es eine neue Möglichkeit, von A nach B zu reisen. Ohne Pferde, ohne Hufschmied, ohne Stallmeister, ohne Pferdemist. Dafür zu jeder Tageszeit und zunehmend bei jedem Wetter. Kutscher standen vor der Entscheidung: Bleibe ich Kutscher oder arbeite ich im Transportwesen? Mit der Mobilität wurden viele neue Industrien und Tätigkeiten geschaffen – jedoch anders als gedacht.

Nun, was hat sich bei uns verändert?

 

Vor zwei Jahren galt KI bei uns noch als verrückter Assistent. Heute verfügt jeder Mitarbeitende über ein Team von KI-Assistenten – das Dream-Team, inklusive Mitspielern wie Michael Jordan in Bestform. Dieses Team wird nie krank, hat kaum Allüren und stellt keine besonderen Ansprüche. Doch die meisten Menschen sprechen nach wie vor lieber mit Menschen. Unsere Arbeit richtet sich letztlich immer an Menschen. Und fühlen, lieben, leben und lachen können nur wir. Es braucht daher weiterhin Menschen, die Empfehlungen aussprechen, Situationen beurteilen und Verantwortung übernehmen. Ja, «agencies are here to blame» – wir übernehmen Verantwortung, im Erfolg und im Misserfolg. Agenturen kann man einfacher zur Verantwortung ziehen als anonyme KI-Systeme oder Inhouse-Teams. Nur wenn die Ziele unserer Auftraggeber und Ansprüche erreicht sind, können wir zufrieden und mit gutem Gewissen eine Rechnung versenden. KI belastet hingegen jeden Monat pünktlich das Konto, unabhängig vom Resultat. Unser eigenes KI-Budget bewegt sich inzwischen im mittleren sechsstelligen Bereich – pro Jahr. Mehrwert schaffen in Zukunft vor allem Expertise, Erfahrung und Leistung – nicht Stunden. Genau das haben viele Agenturen verlernt – oder (noch) nicht gelernt. Gerade in grossen Agenturen gibt es noch viele Manager, die grosse Teams und Prozesse «managen» und Informationen und Dateien von A nach B verschieben. Solche Aufgaben übernimmt immer mehr die KI. Niemand verarbeitet und analysiert Daten schneller und effizienter. Doch Menschen liefern die entscheidenden Impulse, überraschen, inspirieren und teilen andere Perspektiven, auf die eine KI kaum kommen würde. Denn KI arbeitet meist nach bekannten Mustern, während die besten Agenturtalente bewusst unbequeme, neue Wege einschlagen – auch wenn diese im ersten Moment ungewöhnlich erscheinen und uns nervös oder unkomfortabel machen. Komplett neue Ideen erscheinen im ersten Augenblick vielfach merkwürdig. Des Merkens würdig. Dabei behaupte ich nicht, Kreativität sei ein rein menschliches Privileg. Auch KI kann kreativ sein – sie wurde ja von Menschen dazu geschaffen. Das Universum stellt die Zutaten bereit – wir und auch immer mehr KI sind fähig, mit diesen Zutaten zu spielen. Dabei kombinieren wir sie immer wieder neu, um Lösungen zu finden. Das ist Kreativität.

„KI funktioniert meist nach bekannten Mustern, während die besten Kreativen bewusst unbequeme, neue Wege gehen. Ganz neue Ideen wirken anfangs oft fremd. Ich behaupte nicht, dass Kreativität ein rein menschliches Privileg ist – KI kann durchaus kreativ sein. Und doch bleibt der Mensch unverzichtbar, um Innovationen voranzutreiben. Deshalb bleiben wir der wichtigste Verbindungspunkt.“

«Machine Learning» kombiniert Bekanntes optimal

 

… KI entwickelt jedoch zusätzlich neuartige und ungewöhnliche Kombinationen – in enormer Geschwindigkeit. Dennoch braucht es uns Menschen, um Innovationen voranzutreiben, ihre Sinnhaftigkeit zu bewerten, diese gut zu kommunizieren und mutig umzusetzen. Albert Einstein sagte dazu: «Imagination ist wichtiger als Wissen.» Wir bleiben daher die wichtigste Schnittstelle, insbesondere im Austausch mit Kunden und Stakeholdern. Interviews und Gespräche mit Kunden unserer Kunden liefern neben quantitativen KI-Analysen unverzichtbare Einsichten. KI-Assistenten begleiten diese Prozesse unterstützend – doch Verantwortung übernehmen weiterhin wir.

Was bedeutet das für den Nachwuchs?

 

Zwei Dinge sind in Zeiten der Veränderung entscheidend: Agilität und Erfahrung. Agilität ist eine Einstellungssache, Erfahrung erfordert Zeit. Gerade Einsteigerpositionen (Praktikant:innen, Junior:innen) fallen aktuell stark weg. Wir erhalten täglich mindestens 15 Bewerbungen – mehr als je zuvor. Viele grossartige Talente sind darunter, und gerne würde ich jede Woche jemanden einstellen. Ich sehe hier eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe: Wie ermöglichen wir jungen Talenten, die nötige Erfahrung zu sammeln? Das betrifft nicht nur Agenturen, sondern bald auch Ärzte, Schauspielerinnen, Anwälte und ja, Steuerprüferinnen. Ich hoffe, dass wir weiterhin jungen Menschen einen praktischen Einstieg bieten können – denn alle lernen davon, auch wir. Wir alle brauchen die Fähigkeit, Fragen zu stellen – verbunden mit der Bereitschaft, alte Sicherheiten loszulassen. Es geht nicht darum, Jobs zu ersetzen, sondern Spielräume zu erweitern. Für eine neue Art von Champions League.

Kernfrage: Braucht es überhaupt noch Agenturen?

 

Nicht zwingend. Doch die Frage ist eine andere: Können Unternehmen mit Hilfe von KI und Automatisierung nun alles selbst machen? Unternehmen müssen sich entscheiden: Wann setzen sie auf Insourcing und wann auf externe Spezialisten? Unsere KI-Analyse von 20 Interviews mit führenden CMOs ergab eindeutig: Der Hauptgrund für Insourcing sind – wenig überraschend – Kostenersparnisse. Doch «günstiger» allein ist keine nachhaltige Strategie. Bisher gibt es nur wenige Beispiele, bei denen Kosteneinsparungen tatsächlich mit anderen relevanten KPIs erfolgreich verbunden wurden. Unternehmen wie Galaxus und On Shoes bilden seltene Ausnahmen. Sie investieren konsequent und nachhaltig in ihre Marke sowie kreatives Marketing – was wiederum ihre Ausgaben bei Google, Meta,TikTok & Co. deutlich effizienter macht.

KI als Hebel für mehr Diversität und Vielfalt

 

Unsere Stärke als Boutique-Agentur liegt darin, Kunden in kritischen Phasen zu begleiten: Start-ups, Scale-ups und etablierte Marken wie Sennheiser, Planted, Lime oder Perplexity.ai. Selbst das 9-Milliarden- Start-up Perplexity.ai setzte für seine schnelle Skalierung auf eine agile Agentur (Foundry). Gerade in einer solchen Phase braucht es erfahrene Experten, die nicht nur mit KI umgehen können, sondern auch in Lichtgeschwindigkeit lokale Resultate liefern. Sobald die Neuausrichtung auf Kurs gebracht, der Skalierungsboost gezündet und das Unternehmen auf stabiler Umlaufbahn ist, helfen wir unseren Kunden, die internen Fähigkeiten für den weiteren Flug durch den KI-Kosmos nachhaltig aufzubauen und neu auszurichten. In der Produktion erleben wir aktuell den grössten Umbruch. Viele grosse und glorreiche Produktionshäuser wie «The Mill» in London haben bereits geschlossen. Heute produzieren wir – und andere Agenturen – vieles selbst, mit modernsten Kameras und KI. Was früher hohe Budgets und Teams erforderte, setzen wir heute effizient und flexibel mit KI um.

Fazit

 

Die KI ist allgegenwärtig und verändert auch unsere Branche fundamental – nicht nur als Werkzeug, sondern als Schlüssel. Doch verantwortungsvoll entscheiden und kreativ handeln – das können weiterhin nur wir Menschen. Genau darum geht es in Zukunft – sei es in der Politik, der Wirtschaft, den Schulen oder bei uns in den Agenturen.